Diagnose Lipödem: Das stille Leiden vieler Frauen

„Deine Beine sind ganz schön kräftig, mach mal mehr Sport!“ Das hören viele Frauen zur Genüge. Doch was, wenn die Diagnose eine ganz andere ist? Lipödem?

Viele Frauen sind unzufrieden mit ihrem Körper
Quelle: IMAGO / imagebroker

Der Körper der Frau - ein heiß diskutiertes Thema

Dass der Körper der Frau in unserer Gesellschaft immer wieder Grund zur Diskussion ist, hat sich auch leider in 2023 nicht viel geändert. Bewegungen wie „Body Positivity“ und Größeninklusionen für „Plussize“-Frauen helfen zwar, die unterschiedlichen Körperformen in unserer Gesellschaft zum Vorschein zu bringen und zu normalisieren, aber ganz geht das Narrativ der äußerlichen Körperbewertung leider nicht aus unseren Köpfen.  Doch was ist los mit dem weiblichen Körper, wenn man trotz dauerhafter Diät, ausreichend Sport einfach nicht abzunehmen scheint? Ein Blick in den Spiegel genügt vielen Frauen, denn was sie sehen macht für sie keinen Sinn: „Was mache ich falsch, was alle anderen richtig machen?“ Manchen Frauen fehlt hier die korrekte Diagnose. Der Grund kann nämlich wo ganz anders liegen…Vielleicht bei einem Lipödem?

Trotz Sport nehmen viele Frauen nicht ab
Quelle: IMAGO / ingimage

Diagnose Lipödem: Auf einmal macht alles Sinn

Wenn die Beine einfach nicht dünner werden wollen und auch die Speckröllchen am Bauch vehement an ihrem Platz bleiben, zweifeln viele Frauen an sich selbst. Dabei leiden circa 3,8 Millionen Menschen in Deutschland –  ausschließlich Frauen – an einer Krankheit, die einfach keine Aufmerksamkeit bekommen will: Lipödem. Doch was ist das genau?

 „Das Lipödem ist eine Störung der Fettverteilung, bei der es zu einer unkontrollierten Fettvermehrung vor allem an Beinen, Hüften, Gesäß und in einigen Fällen auch an den Armen kommt.“ 

Die genauen Ursachen und Gründe, wann und bei wem ein Lipödem auftritt, sind noch nicht geklärt. Erste Symptome treten oft in der Pubertät oder nach der Schwangerschaft auf, aber auch eine genetische Veranlagung könnte der Grund sein. Die Deutsche Gesellschaft für Phlebologie schreibt außerdem: Bei Männern ist das Lipödem extrem selten. Wenn sie erkranken, dann nur in Zusammenhang mit ausgeprägten hormonellen Störungen – bedingt etwa durch eine Leberzirrhose – oder nach einer Hormontherapie zur Behandlung einer Krebserkrankung."

Aber wieso weiß man nichts über dieser Krankheit, die so viele Frauen weltweit betrifft?

Viele Ärzt*innen wissen noch nicht genug über die Krankheit
Quelle: IMAGO / Shotshop

Das Unwissen der Ärzt*innen und veraltete Stereotype

„Unwissenheit schützt vor Strafe nicht“, nur leider erwischt die Strafe in diesen Fällen die falsche Person und zwar die Patient*innen. Viele Ärzt*innen erkennen die Krankheit nicht, verwechseln sie häufig mit Adipositas (Fettleibigkeit) und verschreiben den Betroffenen eine strikte Diät und Sport. Erst in den letzten Jahren hat das Lipödem mehr Aufmerksamkeit bekommen, auch von der Wissenschaft. Leider ist die Forschung noch nicht sehr fortgeschritten, aber man kann einen kleinen Schritt in die richtige Richtung erkennen: dass die Krankheit überhaupt ins Bewusstsein mancher Mediziner*innen getreten ist.   

Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Was sind die Symptome, die ein Lipödem begleiten? 

Es gibt bestimmte Symptome, auf die man achten kann
Quelle: IMAGO / Wavebreak Media Ltd

Wie äußert sich ein Lipödem? 

Nur weil eine Frau kräftigere Beine hat, heißt das natürlich nicht sofort, dass sie unter der Krankheit leiden muss. Es gibt bestimmte Symptome und Selbsttests, die man durchführen kann, bevor man sich professionelle Hilfe sucht: 

1) Schwere, schmerzende und druckempfindliche Beine
2) Anschwellen der Beine im Laufe des Tages und bei Aktivität
3) Neigung zu blauen Flecken an den betroffenen Körperstellen (auch ohne viel Druck) 
4) Verhärtung des Gewebes
5) Die betroffenen Stellen sind schlecht durchblutet und daher oft „kälter“ als der Rest des Körpers (auch nach dem Duschen) 
6) Neigung zu Cellulite, die Haut fühlt sich grob und knotig an 
7) Ober- und Unterkörper sind ungleich proportioniert 
8) Symmetrische Fettverteilung an Hüften und Beinen (Neigung zu sogenannten „Reiterhosen“ an den Hüften)
9) Trotz Abnahme keine Umfangsreduktion an den Beinen
10) (Fett-)Einlagerung endet oberhalb der Hand- bzw. Fußgelenke 

Für eine genaue Diagnose sollte man sich natürlich an einen Facharzt oder eine Fachärztin wenden. Diese Punkte dienen nur zur Orientierung.

Das Lipödem wird in drei Stadien eingeteilt
Quelle: IMAGO / Science Photo Library

Die Stadien des Lipödems

Das Lipödem ist natürlich bei jeder oder jedem Betroffenen anders ausgeprägt. Wird es schnell diagnostiziert, kann es auch schnell behandelt werden. Die Krankheit wird generell in 3 Stadien eingeteilt:

Stadium 1: feinknotige, größtenteils noch glatte Hautoberfläche, umgangssprachlich „Orangenhaut“,
Stadium 2: grobknotige Hautoberfläche mit größeren Dellen, „Matratzenphänomen“,
Stadium 3: große, deformierende Hautlappen und -wülste

Auf dem Bild siehst du, wo überall das Lipödem ansetzen kann – es sind nicht immer nur die Beine betroffen. 

Für viele Frauen sind die einfachsten Dinge beschwerlich.
Quelle: IMAGO / Panthermedia

Das passiert, wenn ein Lipödem unerkannt bleibt

„Du musst nur weniger essen!“, „Geh doch einfach öfter zum Sport.“, „Du hast bestimmt einfach schwere Knochen!“

Das sind die Sätze, die Frauen oft zu hören bekommen, wenn sie bei Ärzt*innen oder Vertrauten über ihr Leid klagen. Und oft bleibt es auch dabei, denn nicht jede*r denkt sofort, dass auch eine Krankheit hinter den Problemen stecken könnte. Doch bleibt ein Lipödem unerkannt, kann das schwerwiegende Folgen für die Zukunft haben: 

Nicht nur, dass Betroffene ihr Leben lang unter Schmerzen leiden, sie müssen auch mit anderen Nebeneffekten kämpfen. Schmerzhafte Verhärtungen, blaue Flecken und im schlimmsten Fall sogar die Überlappung von Hautgewebe. Langzeitfolgen wie eine Veränderung des Gangbildes, eine Fehlstellung der Gelenke oder vorzeitigem Gelenkverschleiß beeinflussen das Leben im großem Maße. 

Doch nicht nur die äußeren Folgen sind schlimm… 

Eine Essstörung kann eine Folge des psychischen Stresses sein
Quelle: IMAGO / Panthermedia

Psychische Folgen der Erkrankung

Nicht nur körperlich, sondern auch mental fordert die Krankheit, egal ob erkannt oder unerkannt, einiges von ihren Opfern. Durch die jahrelange Frustration können Essstörungen entwickelt werden, da dies oft der scheinbar einzige Weg für Betroffene ist, um abzunehmen – leider führt auch das nicht zum gewünschten Gewicht, sondern häufig nur zu einem noch gestörterem Verhältnis zum eigenen Körper. Auch Depressionen können eine Folge sein, die Betroffenen verstehen einfach nicht, warum ihr Körper nicht funktioniert und geben sich selbst die Schuld. Mangel an Disziplin ist oft ein Vorwurf, den sich vor allem viele Frauen machen. Was solche Gedanken über einen langen Zeitraum mit einem Menschen anstellen, kann man sich nicht vorstellen… 

Kompressionsstrümpfe werden zum täglichen Begleiter
Quelle: IMAGO / brennweiteffm

Behandlungsmöglichkeit #1: Der konservative Weg

Es gibt Wege, dem Lipödem Einhalt zu gebieten und den Betroffenen ein besseres und schmerzfreieres Leben zu ermöglichen. Hier unterscheidet man zwischen dem konservativen und der operativen Therapie

Die konservative Therapie beinhaltet regelmäßige Lymphdrainagen und das konsequente Tragen von maßgeschneiderten Kompressionsstrümpfen. Dies soll die Schmerzen lindern und das Fortschreiten der Krankheit verhindern. Jedoch hält diese Methode die Krankheit nicht auf, sie verlangsamt sie nur. Sportarten wie Schwimmen, Radfahren oder schnelles Gehen helfen ebenfalls. 

Die Liposuktion ist eine Möglichkeit zur Verbesserung der Symptome
Quelle: IMAGO / Cavan Images

Behandlungsmöglichkeit #2: Die Liposuktion

Eine Liposuktion ist umgangssprachlich eine Fettabsaugung. Nur das in diesem Fall nicht einfach „nervige Pölsterchen“ entfernt werden, sondern das krankhafte Fettgewebe, dass von selbst niemals verschwinden würde, abgesaugt wird. Natürlich ist das ein operativer Eingriff und man sollte nicht unüberlegt diesen Weg einschlagen – allerdings führt eine Operation zu einer immensen Steigerung der Lebensqualität vieler. Sie können sich wieder freier und schmerzloser bewegen.

Leider spielt hier ein großer Faktor mit rein: Die Kostenfrage. Aus den vorherigen Gründen und da die Krankheit noch nicht vollständig erforscht ist, gilt sie  noch nicht offiziell als anerkannt. Darum zahlt auch die Krankenkasse hier nichts – generell stehen Liposuktionen, auch bei diagnostiziertem Lipödem, immer noch unter dem Begriff der Schönheitsoperation. Nur in seltenen Fällen und unter bestimmten Voraussetzungen (die kaum eine betroffene Person erfüllt) übernimmt die Kasse einen Bruchteil der Kosten.

Besonders in den letzten Jahren sind Stimmen laut geworden, die sich für eine Aufnahme in den Krankenkassen-Katalog laut machen – wir hoffen, es kommt bald zu einer Änderung.

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„DominoKati“ - Eine Influencerin macht die Krankheit öffentlich

Doch es gibt auch positive Entwicklungen – immer mehr betroffene Frauen gehen mit ihrer Diagnose an die Öffentlichkeit: Sie haben keine Lust mehr auf das Stigma rund um ihren Körper und ihre Krankheit. So auch die Influencerin DominoKati. Sie wagte den Schritt, mit ihrem Krankheitsbild an die Öffentlichkeit zu gehen und setzt sich seitdem stark für mehr Sichtbarkeit in den Medien ein. Neben Aufklärungsvideos, Vorher-Nacher-Bildern und OP-Berichten kann man sie auch auf ihrem Weg zu einem gesünderen Lebensstil verfolgen – einige Betroffene schreiben immer wieder, dass solche Videos immens helfen eine Diagnose zu bekommen oder ihnen die Angst vor der Krankheit nehmen. Auch ein Buch hat die erfolgreiche YouTuberin bereits geschrieben: „Echt ist mein perfekt“*. Hier kann man nachlesen, wie sie zu ihrer Diagnose kam und wie steinig und schwer der Weg war, bis sie sich und ihren Körper endlich akzeptieren konnte. 

Hast du vielleicht die Vermutung an der Krankheit zu leiden? Dann mache jetzt den ersten Schritt und hab keine Angst: Du bist nicht alleine. 

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Mehr Öffentlichkeit für die Krankheit

In ihren Videos, die sie auf Instagram und YouTube veröffentlicht, versucht DominoKati der Öffentlichkeit die Krankheit näher zu bringen – und vielleicht manchen Frauen bei der Diagnose zu helfen. Mit aufschlussreichen, einfachen Videos zeigt sie, wie Betroffene aussehen könnten, welche Beschwerden sie selbst hatte und macht vor allem Mut, dass man sich nicht schämen muss. Das Lipödem ist eine Krankheit, für die man nichts kann und die noch zu schlecht erforscht ist. Das sollte sich auf jeden Fall ändern, findet die junge Frau. 

Die Kommentare unter dem Video sagen alles. Eine Userin schreibt: „Nach wie vor Danke, dass du Aufklärung betreibst!  Durch dein erstes Youtube- Video deiner Lipödem- Playlist habe ich damals angefangen darüber nachzudenken, ob ich nicht auch ein Lipödem habe. Ein weiteres Jahr verging, bis ich mich zum Phlebologen traute und direkt die Diagnose bekam. Eine OP kann oder möchte ich mir finanziell nicht leisten. Meinen Weg suche ich noch."

Pinterest Pin Warum wird die Krankheit immer noch nicht offiziell anerkannt?