Gewalt in der Kindheit: Die Stars sprechen offen über ihre Vergangenheit
Häusliche Gewalt in der Kindheit betrifft alle Gesellschaftsschichten. Nun berichten auch Stars, welche schrecklichen Erlebnisse sie gemacht haben.
Häusliche Gewalt ist in Deutschland schrecklicherweise ein Thema, das viele Menschen betrifft. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland 256.276 Menschen Opfer häuslicher Gewalt. Die Dunkelziffer kann durchaus höher liegen, da nur polizeilich gemeldete Übergriffe in die Statistik mit einfließen können. 54 Prozent der Opfer waren weiblich und fast ein Viertel der Betroffenen unter 14 Jahre alt. Kinder und Frauen sind demnach besonders gefährdet. Das eigene Zimmer, das eigene Zuhause und die engste Familie sollten ein sicherer Ort sein – ist dies nicht der Fall, kann das für Betroffene neben körperlichen Verletzungen auch psychische Folgen haben. Stars sind natürlich auch nur Menschen und so brechen immer mehr Promis über ihre Erfahrungen mit häuslicher Gewalt in der Kindheit ihr Schweigen.
Triggerwarnung: Die folgenden Schilderungen von Gewalt können besonders Menschen mit posttraumatischer Belastungsstörung schwer belasten.
Auf den nächsten Seiten klären wir über häusliche Gewalt auf und teilen Erlebnisberichte von Prominenten ...
Was ist häusliche Gewalt?
Laut dem Bundesamt für Statistik erleiden jeden Tag durchschnittlich mehr als 700 Menschen in Deutschland häusliche Gewalt. Das bedeutet, sie werden von Familienmitgliedern, Eltern, Geschwistern, Partner*innen oder anderen Personen, mit denen sie zusammenleben, körperlich oder psychisch misshandelt oder missbraucht. Insgesamt starben im Jahr 2023 in Deutschland 331 Menschen durch häusliche Gewalt, wobei über 80 Prozent der Opfer weiblich waren. Alle gesellschaftlichen Schichten sind betroffen.
Für Betroffene und Angehörige gibt es folgende Hilfsangebote:
- Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ unter der kostenlosen Nummer:
116 016 (rund um die Uhr erreichbar, Beratung in 18 Fremdsprachen möglich) - Hilfetelefon „Gewalt gegen Männer“:
0800 / 1239900 (Erreichbar Mo-Do 8-13 und 15-18 Uhr, Fr 8-15 Uhr) - Hilfetelefon sexueller Missbrauch: 0800 / 22 55 530
- „Nummer gegen Kummer“ für Kinder und Jugendliche:
116 111 - Telefonseelsorge Deutschland:
0800 /1110111 oder 0800/1110222 oder 116 123 - In akuten Gewaltsituationen sollte immer der Polizeinotruf 110 gewählt werden
Gewalt ist niemals ein Zustand, den man ertragen muss. Es ist immer in Ordnung um Hilfe zu bitten.
Mittlerweile sprechen immer mehr Menschen über ihre Erfahrungen mit häuslicher Gewalt. Auch Prominente teilen ihre Erfahrungen ...
#1 Michelle
Als Gewinnerin des ESC wurde Michelle 1982 europaweit berühmt. Anschließend konnte sich die Sängerin in der deutschen Schlagerszene etablieren. Auf ihrem Album „Anders ist gut“ verarbeite Michelle 2020 die Probleme ihrer Kindheit, darunter häusliche Gewalt in ihrer Familie. In dem Song „Brief an meinen Vater“ warf sie diesem vor, um ihre „Kindheit betrogen“ worden zu sein. Mit 14 Jahren wurde sie obdachlos und lebte auf der Straße. Heute versucht sie über Gewalt in Familien aufzuklären. Gegenüber der Berliner Morgenpost berichtete sie:
„In der Coronakrise bin ich auf einen Artikel gestoßen, dass während des Lockdowns die häusliche Gewalt zugenommen hat und Kinder aus Familien geholt werden mussten. Das hat mir persönlich sehr zugesetzt. Das war für mich der richtige Zeitpunkt, den Menschen zu zeigen, dass Kindern geholfen werden muss. Denn ich dachte als Kind immer, dass es normal sei, wenn jeden Tag Gewalt ausgeübt wird. Kinder wissen es nicht besser. Es ist auch wichtig, die Frauen anzusprechen, die nicht rauskommen. Mir war es ein großes Anliegen, den Menschen zu zeigen: ‚Mir ging es genau so, aber es ist wichtig, dass man da rauskommt und zu sich steht.’“ Heute gehe es ihr mit dieser Erfahrung besser: „Vergeben ist ein Heilungsprozess. Wichtig ist, dass man es kann, egal wann. Nur wenn man vergibt, dann kann man weitergehen. Wer wütend ist und hasst, der stagniert und bleibt im Leben stehen.“
Auch Betty Taube litt unter einem gewalttätigen Elternteil ...
#2 Betty Taube
Als Topmodelanwärterin schaffte es Betty Taube in der neunten Staffel von „Germany's Next Topmodel“ bis ins Halbfinale. Seitdem ist Taube als Influencerin erfolgreich. In der Talk Show „Deep und Deutlich“ offenbarte sie 2024 jedoch, wie schrecklich ihre Kindheit verlief: Als kleines Mädchen wuchs sie bei ihrer alkoholabhängigen Mutter auf, bis sie im Alter von neun Jahren in ein Heim kam.
„Meine Mama sagte damals: ‚Wenn du im Kindergarten gefragt wirst, wo die blauen Flecken herkommen, sagst du, das ist beim Spielen passiert.‘ Sie hat mich geschlagen und auch andere Dinge mit mir gemacht“, berichtete das Model. In dieser Zeit habe es Momente gegeben, in denen sie nicht mehr weiter wusste, „der Umzug in das Kinderheim war daher eigentlich meine Rettung.“ Einmal sei ihre Mutter mit einem Messer hinter ihr hergelaufen und habe überall in den Kleiderschrank eingestochen. „Sie hat dann süße, kleine Tieraufkleber darüber geklebt, um es zu vertuschen. Dann kam das Jugendamt in mein Zimmer und meinte, was das denn für Aufkleber seien. Was sich denn dahinter verbirgt. Obwohl das Jugendamt es wusste, sind sie wieder nach Hause gefahren.“
Eine andere junge Prominente erlebte die Gewalt durch ihren ersten Freund als Teenagerin:
#3 Sarah Bora
Die Sängerin Sarah Bora wurde an der Seite ihres Ehemanns Eko Fresh bekannt. Sie engagiert sich gegen Gewalt an Mädchen und Frauen, unter anderem weil sie bereits als Teenager selbst Gewalt in einer Beziehung erfahren musste. Gegenüber Brigitte berichtete sie 2023:
„Ich habe meinen damaligen Freund relativ früh kennengelernt, er war meine Jugendliebe. Wir waren fast zehn Jahre zusammen und ja, fast acht Jahre davon war ich in einer gewalttätigen Beziehung. Also wirklich psychische und physische Gewalt. Physische Gewalt habe ich zum ersten Mal mit 15 erlebt.“ Weiter berichtet sie: „Auf psychischer Ebene hat es sich immer mehr zugespitzt, und es hat immer relativ harmlos angefangen mit Kontrolle und Eifersucht. [...] Die körperliche Gewalt war noch unberechenbarer, weil er in seinen Augen immer Gründe für seine Wutausbrüche hatte, die ich nicht vorhersehen konnte. Ob es eine Vase war, die am falschen Platz stand oder eine Party, auf der ich mich seiner Meinung nach nicht gut benommen habe, es gab immer Momente, die für ihn nicht tragbar waren und die Situation eskalieren ließen. Dann wurde ich gewaltsam festgehalten oder geschlagen.“
Heute will Bora über die Funktion von Love Bombing und Gewalt in Beziehungen aufklären.
Über ihre Erfahrungen mit Gewalt schrieb Eko Fresh später ein Lied, was ein weiterer Star mit ähnlicher Erfahrung dann sang ...
#4 Tim Bendzko
In der Vox-Show „Sing meinen Song – Das Tauschkonzert“ nahm sich Tim Bendzko 2024 dem Song „Stärker als Gewalt“ von Eko Fresh an, der darin die Gewalt thematisiert, die seine Ehefrau Sarah Bora erleben musste. Bendzko offenbarte in diesem Zusammenhang, dass als Kind ebenfalls mit Gewalt im eigenen Zuhause machen musste.
„Ich bin [...] im ersten Drittel meiner Kindheit in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ich ein bisschen zu viel Erfahrung damit machen musste, und deshalb kann ich das schon ein bisschen nachempfinden, wie sich diese Ohnmacht anfühlt und diese Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit. [...] Ich kann an der Stelle auch sagen, dass ich meiner Mutter unfassbar dankbar bin, dass sie es geschafft hat, meinen Bruder und mich da rauszuziehen. Sonst würde ich heute nicht so hier sitzen und ein fröhlicher Kerl sein.“
Auch eine Influencerin spricht nun über die schlimmsten Stunden ihrer Kindheit ...
#5 Kim Virginia Hartung
2024 war Kim Virginia im Dschungelcamp bei „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus“ zu sehen. Ihr hartes Auftreten irritierte ihre Mitcamper*innen und so beichte Kim Virginia schließlich, warum es ihr schwer fällt, Gefühle zu zeigen:
„Ich hatte einen sehr handgreiflichen Vater, der mich über den Boden geschliffen oder getreten hat. Das war ein Dauerzustand, bis ich zwölf war!“ Wenn sie daraufhin weinte, sei sie erneut bestraft worden. „Das hängt im Nacken, wenn man so erzogen wurde. Man denkt, dass ich kaltherzig bin. [...] Ich bin so stark geworden, weil ich stark sein musste.“
Auch Tessa Bergmeier schaut ungern auf ihre Kindheit zurück ...
#6 Tessa Bergmeier
Tessa Bergmeier hat kein gutes Verhältnis zu ihren Eltern. Den Kontakt zu ihrer Mutter in Überlingen hat die Ex-GNTM-Kandidatin aus dem Jahr 2009 abgebrochen. Der genaue Grund ist nicht bekannt. Doch die Kindheit des Reality-Stars soll alles andere als schön gewesen sein. Auf Instagram schreibt sie 2024 zu einem Bild aus ihrer Jugend einen Text an ihr jüngeres Ich:
„[...] Wenn ich dieses Foto sehe, denke ich an all die Schmerzen und Herausforderungen, die du durchmachen musstest. Die Stelle an deinem Kopf und das langsam nachwachsende Haar auf diesem Foto erinnern mich an die harte Zeit, in der du so viel Druck und blanke Gewalt, sowohl Zuhause als auch in der Schule erlebt hast. [...] Du warst so schrecklich allein, emotional und physisch, dass du dir vor lauter psychischem Druck die Haare ausgerissen hast, und in den Unterarm geschnitten hast.“ Sie führt fort: „Mit nur 12 Jahren warst du dann komplett auf dich allein gestellt und musstest ein Internat besuchen, wo du begonnen hast, dich zu verstellen, um zu überleben. Du hast dir eine Maske aufgesetzt und dein wahres Selbst versteckt, nur um durch den Tag zu kommen und nicht noch mehr Gewalt zu erfahren.“
Die nächste Prominente kann heute mit ihren Eltern über die Gewalt in ihrer Kindheit reden ...
#7 Ilka Bessin
Die Comikerin Ilka Bessin wurde mit ihrer Figur Cindy aus Marzahn berühmt. Auch, wenn sie ihren Eltern verziehen habe, sieht sie rückblickend gespalten auf ihre Kindheit zurück und sagt bei „Deep und Deutlich“ über ihre Erfahrungen:
„Ich hatte eine schöne, aber sehr strenge Kindheit, die davon geprägt war, dass man ab und zu eine auf den Hintern bekommen hat.“ Sie berichtet von einer „angespannten Stimmung“, wenn sie gewusst habe, „dass du irgendetwas gemacht hast und du weißt: Papa kommt nach Hause und dann gibt es Prügel“. Solche Vorfälle seien nicht regelmäßig vorgekommen, aber „schon häufiger“. Anders als bei vielen Familien habe sie aber mit ihren Eltern über die Erlebnisse gesprochen und ihnen verziehen. „Natürlich findest du es nicht toll, auf den Hintern zu kriegen, aber meine Eltern haben sich irgendwann im Laufe der Jahre [...] dafür entschuldigt.“
#8 Joe Bausch
Als Schauspieler, Mediziner oder Autor ist Joe Bausch seit Jahrzehnten im deutschen Fernsehen ein gern gesehener Gast. Besonders bekannt ist er durch seine Rolle als Gerichtsmediziner im Kölner „Tatort“. 2024 machte Bausch in seiner Autobiografie „Verrücktes Blut: Oder: Wie ich wurde, der ich bin“ öffentlich, wie schrecklich seine Kindheit war. Denn als Kind wurde er von seinem Pflegebruder Uwe sexuell missbraucht. Dieser war zehn Jahre älter als Joe Bausch und bereits ein Jahr in der Familie, bevor Joe geboren wurde.
„Ein Jahr später wurde ich geboren. Wir teilten ein Zimmer. Als ich sechs war, fing er an, widerliche Dinge von mir zu verlangen, gegen die ich mich, bis ich fast zehn war, aus Scham nicht wehren konnte. Er wusste, dass es niemanden gab, dem ich mich hätte anvertrauen können", schilderte Bausch gegenüber Welt. In einem weiteren Interview erklärte er gegenüber dem Express, dass er es zunächst schön fand, dass sich Uwe um ihn als jüngeren Bruder kümmerte. „Ich fand es toll. Deswegen reagierte ich auch nicht, als er sich an mir rieb. Ich habe auch noch geschwiegen, als ich sechs oder sieben war und ihn bei sonntäglichen Waldspaziergängen befriedigen musste, manchmal mehrere Male.“ Er führte weiter aus: „Das hörte erst auf, als ich zehn war und er mir in der Scheune eines Tages die Hose runter riss, weil er mich penetrieren wollte. Da lief ich schreiend davon und dann war Schluss damit.“
Für den Täter war die Situation offenbar eskaliert und er versuchte, sich das Leben zu nehmen*. „Als er sich dann mit Rattengift umbringen wollte, stand ich dabei, wie ihm der Hausarzt den Magen auspumpte und hoffte, dass er stirbt. Er überlebte. Dass ich ihm den Tod wünschte, hat mich sehr lange beschäftigt.“
*Wir berichten nur in Ausnahmefällen über das Thema Suizid, um keinen Anreiz für Nachahmung zu geben. Wenn du selbst depressiv bist, wenn du Suizid-Gedanken hast, dann kontaktiere bitte die Telefonseelsorge im Internet oder über die kostenlosen Hotlines 0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222 oder 116 123.