Häusliche Gewalt: Warum das Thema uns alle betrifft

Häusliche Gewalt findet in allen Gesellschaftsschichten statt. Das Problem geht uns alle etwas an. Aber was können wir tun, um Betroffenen zu helfen?

Besonders Frauen sind vor häuslicher Gewalt betroffen
Quelle: Midjourney

Eigentlich sollte unser Zuhause immer ein sicherer Ort sein. Ein Versteck, in das wir uns zurückziehen können und das uns vor Kälte, Witterung und auch vor Gewalt schützt. Doch in vielen Fällen ist das Zuhause für Menschen ein gefährlicher Ort, nämlich dann, wenn sie von häuslicher Gewalt betroffen sind. Im Jahr 2023 zählte die deutsche Polizei 256.276 Fälle erfasster häuslicher Gewalt. Damit stieg ihre Zahl das zweite Jahr in Folge und auf einen erneuten Höchststand. Circa 71 Prozent der Opfer waren Frauen. Es wird von einem hohen Dunkelfeld ausgegangen, da zahlreiche Opfer schweigen und sich weder an eine Beratungsstelle oder die Polizei wenden. Die Polizei und Politik betont, dass diese Form der Gewalt in allen Schichten vorkommt. Doch woran liegt das? Warum werden besonders Frauen oft Opfer von Gewalt durch Partner*innen? Warum bleiben viele Opfer lange in einer Beziehung mit ihren Täter*innen? Und wie kann man Betroffenen helfen?

Auf den folgenden Seiten versuchen wir auf all diese Fragen eine Antwort zu finden ...

Häusliche Gewalt umfasst physische, psychische, sexuelle und emotionale Gewalt, die in familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen stattfindet
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Was ist häusliche Gewalt?

Viele Menschen kennen nicht die Reichweite dieser Taten: Häusliche Gewalt umfasst physische, psychische, sexuelle und emotionale Gewalt, die in familiären oder partnerschaftlichen Beziehungen stattfindet. Dies schließt Misshandlungen, Bedrohungen, Kontrolle und Zwang ein, oft mit dem Ziel, Macht und Kontrolle über das Opfer auszuüben. Betroffen sind meist Frauen und Kinder, aber auch Männer können Opfer sein. Bei den Straftaten handelt es sich laut dem Bundeskriminaltamt um Bedrohung, Stalking und Nötigung in der Partnerschaft.

Häusliche Gewalt hat weitreichende Folgen für die physische und psychische Gesundheit der Betroffenen und kann schwerwiegende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben. Prävention, Schutz und Unterstützung der Opfer sind essenziell, um die Gewalt zu bekämpfen und die betroffenen Personen zu schützen.

Warum werden aber so oft Frauen Opfer von Gewalt durch ihre Partner*innen?

Viele junge Männer finden Gewalt gegen Männer in Ordnung
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Warum werden besonders Frauen häufig Opfer von Gewalt in der Partnerschaft?

Laut der ElitePartner-Studie 2020 identifizieren sich etwa 85 Prozent der Befragten in Deutschland als heterosexuell. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die meisten Frauen in Beziehungen mit Männern sind. Und wenn man die Ursachen von Gewalt sucht, muss man sich die Täter*innen ansehen, nicht die Opfer, denn die Täter*innen allein sind Schuld an der Tat. Und wenn es viele verschiedene Faktoren gibt, weshalb Menschen Gewalt anwenden, gibt es einen Grund, der hervorsticht: die grundlegende Einstellung. Eine Umfrage von Plan International gibt Einblick in die Einstellung junger Männer in Deutschland gegenüber Frauen. Der online-repräsentativen Erhebung zufolge finden es ein Drittel der Teilnehmer okay, wenn sie bei einem Streit mit ihrer Partnerin diese schlagen. Ähnlich viele halten diese Form von Gewalt für ein akzeptables Mittel, um Frauen Respekt einzuflößen. 

Laut eines Berichts der UN haben Männer, die Täter in einer Beziehung werden, häufig ein stereotypes Geschlechterbild, dass den Mann in einer autoritären Rolle sehe, dem etwa das Recht auf Geschlechtsverkehr zustehe oder das, Frauen zu dominieren. Wer solche Ansichten vertritt, neige eher zu tödlicher Gewalt gegen Frauen, so die Autor*innen der Studie. Wichtige Faktoren seien zudem geringe Bildung, Misshandlungen in der Kindheit, Alkohol und die Erfahrung geringer Gewaltgrenzen.

Diese Einstellung zeigt, dass ein Großteil der jungen deutschen Männer also kein Problem bei Gewalt gegen Frauen sehen und dieses als legitimes Mittel betrachten. Ein großer Teil der deutschen Männer nimmt demnach Gewalt in Partnerschaften gegenüber Frauen als normal an. Im schlimmsten Fall eskaliert diese Gewalt vollkommen ...

Polizeieinsatz: Häusliche Gewalt ist also nicht nur traumatisch, sondern endet immer wieder auch tödlich
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Der Mörder war der (Ex-)Partner

Laut des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat in Deutschland bereits jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Besonders bei Streitigkeiten in Partnerschaften werden in erster Linie Frauen zum Opfer häuslicher Gewalt. Doch Verletzungen, Traumata und Schmerzen sind nicht die einzigen Folgen: 2019 starben in Deutschland 117 Frauen durch die Hand ihres (Ex-)Partners. Diese Art der Gewalt wird als Femizid bezeichnet. Das heißt, dass jeden dritten Tag eine Frau in Deutschland durch die Gewalt eines Mannes stirbt. Häusliche Gewalt ist also nicht nur traumatisch, sondern endet immer wieder auch tödlich. 

Immer wieder hören wir Geschichten von Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind und ihre Partner dennoch nicht verlassen. Aber warum ist das so?

Viele Frauen, die Gewalt in der Partnerschaft erleben, bleiben trotz Verletzungen und  Traumata bei einem Partner, der Gewalt gegen sie ausübt
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In einer Beziehung mit dem Täter: Warum?

Viele Frauen, die Gewalt in der Partnerschaft erleben, bleiben trotz Verletzungen und  Traumata bei einem Partner, der Gewalt gegen sie ausübt. Für Nichtbetroffene ist es oft nicht nachvollziehbar, warum Opfer ihre Täter nicht verlassen.

Doch neben finanzieller Abhängigkeit (man teilt sich z.B. die Wohnung, hat gemeinsame Kinder und kein eigenes Einkommen, ist durch das soziale Netz gefallen, hat ansonsten keine finanzielle Unterstützung und muss Obdachlosigkeit fürchten), gibt es noch weitere, individuelle Gründe, weshalb Frauen bei einem Mann bleiben, der sie misshandelt. 

Wie von einer Substanz können Menschen auch von einer Beziehung und damit von einem Partner abhängig sein. Das bestätigt auch die Kriminalpsychologin Lydia Benecke in dem Podcast „Der Fall“. Dadurch erzeugt die Trennung von einer Person, auch wenn diese Gewalt ausübt, zu Entzugserscheinung wie Depressionen und auch körperlichen Schmerzen.

Auch wenn die Beziehung zu Beginn viele Glückshormone durch Lovebombing ausgelöst hat, kann eine Trennung umso schwieriger sein, weil viele Betroffene auf Besserung und Rückkehr zu den guten Zeiten hoffen und ihrem Partner daher immer wieder eine neue Chance geben. Viele Frauen sind auch Opfer von Manipulation durch den Täter, weshalb sie sich selbst für schuldig an der Gewalt gegen sie halten.

Wie kann man aber nun Betroffenen helfen? 

Sei für Betroffene häuslicher Gewalt da
Quelle: Midjourney

Wie helfe ich einem Opfer von häuslicher Gewalt?

Solltest du selbst Zeug*in davon werden, wie eine andere Person Opfer von häuslicher Gewalt wird, solltest du das Thema nicht unter den Tisch kehren. Sprich die betroffene Person in einem sicheren Moment, in dem keine Gefahr durch Dritte besteht, auf das Geschehene an. Biete ihr an, die Gewalt zu dokumentieren und mit ihr zur Polizei zu gehen. 

Wenn du nur ahnst, dass eine Person von häuslicher Gewalt betroffen ist, kannst du sie ebenfalls darauf ansprechen und ihr deine Unterstützung auch in diesem Fall zusichern. Biete auch hier an, gemeinsam zur Polizei zu gehen, auch wenn es nur als moralische Unterstützung ist.

Wenn die Person das Angebot annimmt, ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung. Lehnt die Person ab, solltest du das nicht persönlich nehmen. Brich auf keinen Fall den Kontakt ab. Mach ihr kein schlechtes Gewissen. Sei für die Person immer da, melde dich regelmäßig bei ihr und mach ihr deutlich, dass du an ihrem Wohlergehen interessiert bist. So zeigst du einer betroffenen Person, dass sie anderen Menschen wichtig ist.

Solltest du tatsächlich selbst Zeug*in der Geschehnisse werden, kannst du dies bei der Polizei als Aussage vermerken lassen. Sollte sich eine Betroffene später zu einer Anzeige entscheiden, kann diese Aussage von dir als Indiz gegen den Täter verwendet werden.

Welche Hilfsangebote gibt es außerdem?

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben
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Wo gibt es Hilfe bei häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen?

Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen" ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 116 016 und via Online-Beratung unterstützt das Team Betroffene aller Nationalitäten, mit und ohne Behinderung an 365 Tage im Jahr, rund um die Uhr. Auch Angehörige, Freund*innen und sowie Fachkräfte können dort anonym und kostenfrei beraten werden.

Auch bei der Polizei, in Selbsthilfegruppe bei Opfern von häuslicher Gewalt und bei der Volkssolidarität können Betroffene Hilfe bekommen.

Aber was können wir im Alltag tun, um auf Dauer gegen häusliche Gewalt vorzugehen?

Gewalt muss in unserer Gesellschaft geachtet werden
Quelle: Midjourney

Was können wir im Alltag gegen Häusliche Gewalt tun?

Gewalt muss in unserer Gesellschaft geachtet werden – auch und besonders, wenn die Betroffenen Frauen oder Kinder sind. Männer, die meist die Täter sind, müssen früh für die Themen sensibilisiert werden, damit ihnen bewusst ist, dass Gewalt gegen Frauen kein zu entschuldigender Ausrutscher ist. Das Thema darf außerdem nicht verschwiegen werden, daher ist es wichtig, die nächste Generation aufzuklären.

Wir dürfen die Augen vor Gewalt nicht verschließen. Wenn wir sehen, dass Personen Opfer von Gewalt werden, sollten wir ihnen zur Seite stehen und ihnen das Gefühl geben, dass ihr Leben, ihr Wohlergehen in dieser Gesellschaft einen hohen Stellenwert hat.

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